Ich komme gerade von einem Spaziergang. Meine Intention war es, danach diesen Artikel zu schreiben. Als ich an einem Spielplatz vorbeikam, hörte ich eine Mutter zu ihrem Sohn sagen: "... das lohnt sich doch nicht mehr, komm jetzt, wir müssen gleich los!" Darauf das Kind: "Aber es lohnt sich immer zu spielen Mama."
Und zack mein Titel für den heutigen so wichtigen Impuls war gefunden und er passt perfekt: Kinder erinnern uns daran zu spielen. Es gibt kein Ziel, nur die Absicht, den Moment zu erleben. Dann ist immer genau jetzt die Chance einfach zu leben. Nie später und ein "zu spät" gibt es nicht.
Ich weiß die Zeitschriften, Bücher und Ratgeber sind voll davon dir zu erzählen, wie wichtig es ist dein Leben aus dem gegenwärtigen Moment zu kreieren. Ich möchte mit diesem Artikel nicht bewirken, dass du weiterhin darüber liest. Ich möchte dich inspirieren, in das Erlebnis einzutauchen. Dazu passend ein paar Eindrücke von meinem letzten Wochenende...
Denn da habe ich mich verliebt. Auf einem Konzert in München. Ganz unverhofft, man könnte sagen, es war Liebe auf das erste Gefühl. Am Samstagabend stehe ich in der Westkurve des ausverkauften Olympiastadions. Die letzten Sekunden des Countdowns zur Show fühlen sich an, wie der steile Anstieg einer Achterbahnfahrt. Mein Herz schlägt schneller. Und dann stand er plötzlich da. Völlig entspannt und lässig mit seiner Gitarre in der Hand, auf der imposanten Bühne, die Vibration vom Bass ist zu spüren, der erste Song geht direkt ins Ohr. Ed Sheeran versteht es wie kein anderer ein Stadion mit 72.000 Zuschauern völlig in seinen Bann zu ziehen. Ob singend, tanzend, klatschend, küssend, umarmend – die Menschen sind bewegt von der einzigartigen Stimmung und ich bin einfach nur fasziniert von diesem magischen Moment. Mein Zeitgefühl ist verschwunden, stattdessen ein anhaltendes Gefühl der Freude.
Als dann zu späterer Stunde der Vollmond zum Vorschein kommt, ist es um mich geschehen. Es ist LIEBE. Völlig eingetaucht im Moment. Das berührende Talent eines Vollblutmusikers zu fühlen, der seine Liebe mit den Menschen teilt und mich daran erinnert – es lohnt sich immer... zu SEIN.
Mir wurde nach diesem Erlebnis wieder bewusst, weshalb ich manchmal so euphorisch und begeistert von Menschen bin. Weil sie präsent sind. Diese Präsenz verleiht ihnen eine charismatische Ausstrahlung, die spürbar auf mich überschwappt. Was eigentlich passiert: Sie erinnern mich an Liebe. Nicht ihre Liebe, sondern meine Liebe. Durch ihre Präsenz bringen sie mich in den Moment, in den Kontakt mit mir selbst. Was sich so unglaublich gut anfühlt liegt nicht im Außen, es liegt in mir. Sie sind das Vehikel aber ich bin der Fühlende. Jeder bewusst erlebte Moment ist eine Selbsterfahrung. Deshalb liegt im Moment-Sein das ganze Leben. Jeder, der das Präsent-Sein beherrscht ist somit ein wahrer Lebenskünstler. Deshalb ist es an der Zeit, dass Erwachsene wieder das Spielen lernen. Wie das in unserer stressigen, leistungsorientierten Welt wunderbar funktioniert, werde ich dir gleich erzählen. Doch vorher möchte ich mit dir tiefer in die Bedeutung der Gegenwart eintauchen.
Ich möchte hier ganz deutlich werden: deinen Fokus auf das Hier und Jetzt zu richten ist kein Phänomen, kein Ratschlag und keine spirituelle Idiologie. Es ist auch nicht etwas, das du einmal ausprobieren kannst, wenn du die Zeit dafür findest. Und es ist erst recht kein Luxus oder Hokuspokus. Es ist eine universelle Wahrheit, vor der du oft die Augen verschließt. Diese Ignoranz hat unausweichliche Folgen, deshalb darf diese Weisheit jetzt stärker zu dir durchdringen. Noch bevor du dich mit all deinen Lebensthemen befasst.
Bevor du dich den politischen, gesellschaftlichen, finanziellen oder beruflichen Themen widmest, widme dich deinem Sein. Denn wer du bist bzw. inwieweit du aus dem Moment heraus lebst, hat auf alles einen Einfluss. Auf jede deiner Entscheidungen. Auf dein Verhalten. Auf dein Leben. Auf deine Umwelt.
Fakt ist, du lebst immer nur im Jetzt. Du kannst nicht gestern oder erst morgen sein. Alles, was du fühlst, was du denkst, tust oder bist, passiert im jetzigen Moment. Natürlich kannst du die Vergangenheit oder Zukunft in gewisser Weise vor- oder nachempfinden, indem du daran denkst oder dich erinnerst, aber auch diese Empfindung spürst du in der Gegenwart. Als Kind ist dir diese Wahrheit nicht bewusst aber instinktiv weißt du es. Deshalb sind Kinder spielerisch. Sie denken nicht vor oder nach, sie SIND einfach. Bringen sich authentisch zum Ausdruck. Im Laufe der Zeit verlierst du diese Lebensart. Mit dem Erwachsenwerden drängen sich Sorgen, Ängste, Zwänge und Zweifel in den Vordergrund. Du hast dir diese nicht ausgesucht, sie sind das Ergebnis jahrelanger Konditionierung...
Deine Eltern und dein soziales Umfeld haben dir tagtäglich vermittelt, wie du (anders) zu sein hast, um Liebe, Zuneigung und Anerkennung zu erhalten. Sie wollten dir damit nicht vorsätzlich etwas Böses tun, sondern gaben das weiter, was sie gelernt haben. Auf Basis dessen, wer sie selbst gerade waren. Deine (früh)kindliche Abhängigkeit erlaubte dir nicht zu widersprechen oder bewusst darüber zu reflektieren. Wie ein Schwamm hast du jegliche Informationen über dich unhinterfragt aufgenommen, genau das sicherte dein Überleben. Denn du warst auf die Hilfe anderer angewiesen, deshalb möchtest du gefallen. So wurde aus jeder Anpassung unbemerkt ein Teil deiner Identität. Wie eine Maske, die du dir aufsetzt und dann vergisst, dass du sie trägst. Durch die Maske nimmst du die Welt wortwörtlich mit anderen Augen wahr. Als würdest du durch einen Filter sehen, der dir kein authentisches Bild widerspiegelt. In Fachkreisen bezeichnet man die Summe dieser Masken als Ego(Identität). Quasi alles, was du glaubst zu sein, aber nicht bist. Du identifizierst dich so stark mit deinen Masken, dass der bloße Zweifel oder Verlust einer existenziellen Bedrohung gleichkommt. Deshalb investierst du sehr viel Energie, um deine aufgebaute Identität zu wahren. Du entwickelst Taktiken, um bloß nicht du selbst sein zu müssen.
Eigentlich wolltest du damit dein liebendes Herz schützen, aber in Wahrheit schützt du dich vor der Liebe...
Nehmen wir ein anschauliches Beispiel: Als Kind hat man dir erzählt, du seist zu laut. Aus Angst vor erneuter Zurückweisung bist du leiser geworden. Leise zu sein ist jetzt einer deiner Masken, ein Teil deiner Identität. Sobald du als Erwachsener in eine Situation kommst, in der dich jemand auffordert laut zu sein, bekommst du Angst. Denn leise zu sein ist deine vertraute Sicherheit. Hier kann dir nichts passieren. Wenn du jedoch laut bist, indem du zum Beispiel deine Meinung klar und deutlich kundtust, begibst du dich auf dünnes Eis. Sollte es zu einer solchen Situation kommen, wird der sympathische Teil deines Nervensystems aktiv – du bist im Stressmodus. Emotionen werden jetzt getriggert. Denn die Situation bringt die Erinnerung des Schmerzes hoch, den du damals hattest, als du "zu laut" warst und dafür abgelehnt wurdest. Da du das in diesem Moment aber nicht bemerkst, projizierst du deine Emotionen z.B. auf eine Person, die dich in diese Situation gebracht hat. Das Konstruktive daran ist: Genau hier wird deine Maske sichtbar. Das Problem ist nicht laut zu sein, sondern deine Angst vor der Zurückweisung, wenn du die Maske ablegst. Deshalb versucht du unbewusst solche Situationen zu umgehen und somit deine Maske zu wahren. Mit allen Konsequenzen...
Denn jedes Mal, wenn dein Ego "aktiv" ist, bist du nicht du selbst. Es ist eine Maske, die da spricht. Und dir ist es noch nicht einmal bewusst. Trotzdem dominiert sie dein Leben und hält dich stetig im Gefahrenmodus, denn es könnte ja etwas oder jemand dein wahres Gesicht entlarven und dich dafür zurückweisen. Dein Ego hat also nicht die Absicht das Beste für dich zu wollen – es beschützt dich davor, du selbst zu sein. In der Konsequenz wird die Sehnsucht nach dir selbst immer größer. Denn jeder Mensch möchte Selbst, in Liebe, sein. Es wird aber niemand kommen, der dir die Erlaubnis dafür geben wird...
Stichwort Selbstverantwortung: Als Erwachsener bist du nicht mehr abhängig. Du bist in der Lage bewusst zu reflektieren, wer du bist und sein möchtest. Somit sind deine Masken nicht mehr notwendig. Du darfst sie Stück für Stück beiseite legen und wieder in deiner wahren Authentizität leben. Hier schließt sich der Kreis, denn es geht um dein Sein. Und wie du bereits weißt funktioniert das nur im gegenwärtigen Moment. Das heißt:
Jede Maske, jedes Stück deiner Ego-Identität, blockiert dein Erleben des gegenwärtigen Moments und somit deine Liebe – zum Großteil leider völlig unbewusst.
Je weiter du dich vom gegenwärtigen Moment entfernst, desto mehr Unsicherheit und Angst verspürst du. Wieso Angst? Weil du identifiziert bist mit etwas, was du nicht bist und über das du entsprechend nicht die Kontrolle hast. Stell dir vor du hast ständig Geldsorgen und bist immer auf die Großzügigkeit anderer angewiesen – klar löst das Ängste aus, weil du dich nicht selbst versorgen kannst. Und zu was Menschen aus der Angst heraus fähig sind, ist dir bewusst. Es beginnt im Kleinen mit Lügen, dem Verrat deiner Werte, Manipulation und geht bis zum Führen von Kriegen. Kriegen unter ehemaligen Freunden, unter Geschäftspartnern, unter Eheleuten unter ganzen Völkern. Dein Verhalten im Ego-Modus ist nicht authentisch und hat in der Konsequenz immer Auswirkungen auf die Gesamtheit.
Meine Beobachtung: Menschen versuchen dort Lösungen zu finden, wo Probleme entstanden sind. Was du aus dem Ego-Modus, aus einer Angst heraus kreierst, kann nicht zu Liebe werden. Dafür musst du dein Herz öffnen und präsent sein. Das ist die Transformation, von der alle sprechen. Aber wer geht diesen Weg wirklich? Er kann unglaublich hart sein, denn präsent zu sein bedeutet auch deiner Angst ins Auge zu sehen. Den Schmerz zu fühlen, sodass er endlich gehen kann aber es lohnt sich immer. Jeder, der vorangeht, jeder, der sich traut Liebe zu leben, kann ganze Stadien voller Menschen verbinden. Kann inspirieren, motivieren und Vorbild sein.
Eine letzte Bemerkung dazu: Du selbst zu sein bedeutet nicht ein völlig anderes Leben zu führen, sondern dein Leben anders zu leben. Intensiver. Liebevoller. Authentischer. Freier. Du wirst weiterhin Ziele haben, Dinge besitzen, dir Wünsche verwirklichen, einer Mission folgen, einer Berufung nachgehen – jedoch liegt all diesen Dingen ein anderes Selbstverständnis zu Grunde. Du machst sie nicht "um zu" – sie sind ein Ausdruck deines Seins. Du wirst sicher auch Dinge verändern in deinem Leben, weil für dich keine Notwendigkeit mehr besteht, einen Schein zu wahren. Der Schein ist nur wichtig, wenn du dir nicht erlaubst zu sein.
Frage an dich: knüpfst du jetzt in diesem Moment Bedingungen an dein Sein?
Kommen wir abschließend zur Praxis. Es gibt "Tools", die dich in den Moment bringen. Ebenso wie dich Fitnessgeräte beim Sport unterstützen, aber sie sind ja nicht der Sport, den musst du schon selbst machen.
Solche Tools sind Techniken wie Atemübungen, Meditation, Autogenes Training, Journaling, Achtsamkeitsübungen usw. Nutze diese Tools, um dein bewusstes Sein zu schärfen. Bereits wenige Minuten am Tag bewirken Wunder. Aber wie sieht es mit dem Alltag aus?
Mache aus deinem Leben ein Ed Sheeran Konzert. Indem du deiner Freude folgst...
Das ist mein ernst. Vielleicht klingt es zu positiv für dich, aber wenn es darum geht mehr im Moment zu sein und dein Herz zu öffnen, dann tue Dinge, die dir dabei helfen! Folge deiner Freude. Egal ob laufen, schwimmen, malen, basteln, schreiben, telefonieren, fahren, lesen, kochen, Leidenschaft, Sinnlichkeit, Körperkontakt... durch diese Dinge bringst du dich zum Ausdruck. Du machst sie nicht "um zu", sondern mit der Absicht den Moment voll auszukosten. Es gibt sicher auch Menschen in deinem Leben, mit denen die Zeit stillsteht. Ihr erlebt gemeinsam magische Momente. Verbringe Zeit mit diesen Herzensmenschen und vergiss dabei nicht dir selbst ein liebevoller Partner zu sein. Mache dir bewusst, dass du auch in Gesellschaft stets mit dir bist. Das mit sich selbst Sein ist somit dein ständiger Begleiter. In der Präsenz erkennst du sehr schnell, was dir guttut. Wer und was zu dir passt. Welche Gaben und Talente du in die Welt bringen möchtest. Daraus folgen ganz automatisch Ziele oder Fixpunkte und vielleicht sogar eine Mission. Konsumiere auch bewusst. Wenn dich die Nachrichten oder Social Media runterziehen, gibt es vielleicht eine bessere Abendlektüre für dich. Finde heraus, was dich begeistert, fasziniert, inspiriert und setze deinen Fokus darauf, ungeachtet dessen, was andere davon halten. Es geht um dich, um deine Energie.
... und bei deinen Pflichten ebenso präsent bist.
Nur weil du etwas nicht gerne machst, kannst du dennoch dabei präsent sein. Das einzige, was dich davon abhält ist dein innerer Widerstand. Wenn du deine Steuern machst, machst du deine Steuern. Wenn du einen unliebsamen Kunden betreust, betreust du deinen unliebsamen Kunden. Wenn du eine lästige Überstunde schieben musst, schiebst du eine lästige Überstunde. Wenn du Emotionen der Trauer, Wut oder Enttäuschung spürst, spürst du Emotionen der Trauer, Wut und Enttäuschung. Die Kunst des Präsentseins liegt darin präsent zu sein. In allem. Das ist wahre Lebenskunst.
Wir lieben Dinge nicht (nur), weil sie Spaß machen, sondern weil wir sie lieben. Es ist eine Entscheidung, WIE du dein Leben leben möchtest.
Im Ego-Modus, im Widerstand, im Schutzmodus, oder mehr und mehr authentisch. Denn dein Ego sagt dir immer, der Moment ist noch nicht gut genug, du selbst oder die Umstände sind noch nicht gut genug, um dein Leben JETZT leben zu können. Um genau jetzt schon liebevoll und glücklich sein zu können. Lasse dieses Märchen hinter dir.
Du kannst direkt damit beginnen. Lächle. Erlaube dir die Erfahrung des gegenwärtigen Moments. Egal wie "gut" oder "schlecht" es sich anfühlt. Nichts hält für immer an. Und dennoch bin ich ein großer Befürworter stets tief zu tauchen. Erkenne, wer du bist, was dir guttut und nähre diese Dinge, denn das Leben ist keine Pflicht, sondern eine Erfahrung, die du machst. Egal welche Erfahrung dein Herz als nächstes erleben möchte, sei dir sicher...
Es lohnt sich immer.
Deine deep dive Mentorin
Sarah
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